Kanada (24.09.2014)

Zwei Wochen sind vergangen, seit wir Vancouver verließen und es ging unweigerlich wieder zurück zu unserem Ausgangspunkt. Ich freute mich wie ein kleines Kind, als wir Barrière und Deejay’s Campground hinter uns ließen, denn als nächster Programmpunkt stand Kamloops auf unserer Liste und damit der nächste Walmart. Zunächst jedoch ging es noch ca. 60 km durch die Einöde. Anders konnte man diese Gegend nicht bezeichnen. Einladend war es jedenfalls nicht unbedingt, was man so rechts und links der Straße sah. Die bewaldeten Hügel waren verschwunden. Es standen lediglich noch verbrannte Bäume dort, wo einmal ein Wald gewesen war. Je näher wir Kamloops kamen, desto mehr nahm die Industrie zu. You are in a bear country? Ganz und gar nicht! You are in a agricultural and industrial country! Mittlerweile sahen wir jede Menge Industriebetriebe, die die wärmste Stadt Kanadas, denn das soll Kamloops sein, ankündigten.

In Kamloops mußten wir wieder auf den Highway 1 und als wir den erreicht und Kamloops damit fast passiert hatten, entdeckten wir rechtsseitig den Walmart. Glücklicherweise war es uns noch möglich, den Highway an der nächsten Abfahrt zu verlassen und nach einigen Metern auf den Walmart-Parkplatz zu fahren. Wir arbeiteten unsere Einkaufsliste ab (nur die „Dinger, die man dran macht“ bekamen wir nicht), waren nachher $124 ärmer und bewegten unser Wohnmobil wieder auf den Trans-Canada-Highway.

Ein paar Kilometer später hatten wir einen traumhaften Ausblick auf den Kamloops Lake, den wir von einem Viewpoint genossen. Als es leicht zu tröpfeln begann, setzten wir uns wieder ins Auto und fuhren weiter. Wir passierten Savona und hatten schon jegliche Hoffnung aufgegeben, in „bear country“ auch noch einen freilaufenden Bären zu sehen, als wir am rechten Fahrbahnrand ein Wohnmobil und einen Pkw stehen sahen, deren Fahrer mit Fotoapparaten auf der anderen Straßenseite standen. Hier gab es also etwas zu sehen! Als wir die Stelle langsam passierten, um auch anzuhalten, sahen wir den Grund: Ein kleiner Schwarzbär saß auf einer eingezäunten Wiese und fraß. Eines der beiden anderen Pärchen war aus Deutschland und erzählte, daß der kleine Schwarzbär kurz zuvor die Straße überquerte, dann irgendwie durch den Zaun gelangte und nun dort saß. Wir fotografierten alle und ignorierten die bekannten Warnhinweise. Wie oft hatten wir sie gelesen? Niemals aussteigen! Abstand halten! Nicht länger als 30 Sekunden gucken, damit die Bären sich nicht an den Menschen gewöhnen! Und was machten wir? Wir waren ausgestiegen, standen mit sechs Personen länger als dreißig Sekunden am Straßenrand, ca. 30 m von dem Schwarzbär entfernt und gafften. Wie unvernünftig! Im nachhinein betrachtet war ich tatsächlich erschüttert über unser Verhalten, aber in dem Moment machte sich darüber niemand wirklich Gedanken. Die Freude über den ersten wirklich freilaufenden Bären war größer. Der drehte sich zwar einmal kurz ins unsere Richtung, nahm aber nur kurz Notiz von uns. Seine Nahrung schien Gott sei Dank interessanter gewesen zu sein.

Der nächste Halt war auf einer Anhöhe am Fraser River, wo auch etliche Fotos gemacht wurden (inkl. kleinem Wasserfall), bevor wir Lillooet erreichten. Hier wollten wir über Nacht bleiben, aber der einzige Campground, der ausgeschildert war, hatte an der Einfahrt ein Schild „full“ aufgestellt. Nachdem wir im Campingplatzführer aus irgendeinem Visitor Centre nachgesehen hatten, wurde uns klar, warum: Nur 18 Stellplätze. Also ging es weiter. Wir fuhren und entdeckten unterwegs zufälligerweise den Rastplatz am Seton Lake. Hier machten wir ebenfalls einige Fotos und genossen bei einem kleinen Snack den Ausblick. Traumhaft lag der riesengroße See zwischen den Bergen. Irgendwann mußten wir aber weiter, denn wir hatten noch keine Übernachtungsmöglichkeit.

Wir fuhren also Richtung Pemberton und quälten uns 70 lange Kilometer durch Serpentinen. Dafür wurden wir aber mit den schönsten Ausblicken der ganzen Reise belohnt. Oder kam uns das nur so vor nach der tristen Gegend von Jasper bis Kamloops? Hinter jeder Kurve erwartete ich ein Hinweisschild, wann wir denn endlich in Pemberton wären, aber es kam keins. Dafür begleitete uns eine Weile ein Bach, der für ein grandioses Panorama sorgte. Die Berge erhoben sich rechts und links und waren dicht bewaldet. Mittlerweile stand die Sonne sehr tief und tauchte die Umgebung stellenweise in herrliche Farben. Nach etlichen Kilometern überholten wir eine Fahrradfahrerin, die sich ebenfalls über diese Strecke mühte, bergauf und bergab. Mit zunehmender Dauer fand meine Frau diesen Abschnitt Kanadas immer schöner. Ich hingegen war immer hin- und hergerissen zwischen der unbestreitbaren Schönheit und der ermüdenden Fahrerei durch die Serpentinen. Die Kurven waren teilweise so scharf und eng, daß die erlaubte Höchstgeschwindigkeit 20 km/h betrug. Man hörte den Motor förmlich ächzen, wenn wieder ein Anstieg zu bewältigen war. Und der Tageskilometerzähler stand auch fast auf der Stelle. Zumindest kam es mir so vor. Da! Wieder eine tolle Aussicht! Ich beschloß, am nächsten Viewpoint anzuhalten, weil ich auf der linken Seite einen schneebedeckten Berg gesehen hatte. Ausgeschildert waren die Joffre Lakes und ich erhoffte mir, daß man nach dem kurzen Fußweg vom Parkplatz freie Sicht auf diesen Berg haben würde. Wir begaben uns zum Lower Joffre Lake, wie der Infotafel zu entnehmen war. Ich stiefelte im T-Shirt los und wir gingen in den Wald. Die Bärenglocke am Fotorucksack bimmelte vor sich hin. Man weiß ja nie! Vor uns entdeckten wir einen Mann mit seinem Jagdhund, der auf einmal auf uns zugerannt kam (also der Jagdhund!), an uns vorbeilief und wieder zurückkehrte. Erst dann fiel meiner Frau auf, daß die Glocke ihn wohl anzog, so daß wir nach dem Hinweis des Hundehalters „Here are no bears“ die Bärenglocke wieder einpackten. Nun erreichten wir das Ufer des Sees und konnten auf die dahinter liegenden Matier und Stonecrop Glacier gucken. Der See schimmerte blaugrün und die Berge spiegelten sich im Wasser. Dummerweise warf der Hundehalter einen Stock ins Wasser, so daß der Hund ihn holte. War schön anzuschauen, zerstörte mir aber mein geplantes Foto, weil das Wasser lange Zeit aufgewühlt war und sich sehr langsam beruhigte, als der Hund mitsamt Herrchen im Unterholz verschwunden war. Direkt am Ufer standen zwei Bänke und wenn man vor diesen Bänken stand, hatte man vor sich das Wasser und direkt hinter sich den Wald. Ein absolut unbeschreiblicher Ort, an dem wir noch stundenlang hätten bleiben können, so schön war der Ausblick. Wir standen in völliger Stille einen halben Schritt vom Wasser entfernt und genossen diesen Anblick. Dummerweise war es mir nur mit T-Shirt mittlerweile richtig kalt geworden und nachdem wir alle Fotos im Kasten hatten, gingen wir zurück zum Auto.

Weiter ging die Achterbahnfahrt – also immer schön kurvig auf und ab. Lediglich die Geschwindigkeit war gedrosselt. Mir fiel so nebenbei auf, daß der Tank nur noch zu einem Viertel gefüllt war. Wir hatten doch erst in Clearwater getankt! Wo war der ganze Sprit hin? Nun ja, es ging halt oft bergauf. Wir zählten schon die verbleibenden Kilometer bis Pemberton und als es derer noch knapp 25 waren, überholten wir wieder die Radfahrerin, die in den Augen meiner Frau einen ziemlich erschöpften Eindruck machte, als sie kurz vor uns am Straßenrand anhielt. Ich konnte mir das schon vorstellen, denn mittendrin ging ja nirgendwo eine Straße ab, so daß die Radfahrerin wohl den gleichen Weg wie wir zurückgelegt haben mußte. Meine Frau meinte, wir sollten sie fragen, ob wir sie mitnehmen sollten, denn immerhin waren es ja noch knapp 25 Kilometer bis zum nächsten Ort. Also hielt ich am rechten Fahrbahnrand an – gar nicht so einfach übrigens bei einer so kurvenreichen Straße, auf der es auf einer Seite immer in den Abgrund geht – und wir warteten. Als nach einer Weile keine Radfahrerin kam, stieg meine Frau aus und ging zurück zur letzten Kurve. Ich konnte im Rückspiegel nach einiger Zeit sehen, daß sie sie wohl entdeckt hatte und anhalten wollte, was die Frau auch tat. Nach einer kurzen Unterhaltung kam meine Frau zurück zum Wohnmobil und wir fuhren weiter, weil die Dame die letzten 23 km auch noch alleine bewältigen wollte. Nun denn…

Immerhin gab sie meiner Frau noch den Hinweis auf einen Campingplatz kurz hinter Pemberton, der preiswert sein sollte. Als wir schließlich endlich Pemberton erreichten, sahen wir wieder einmal eine Ansammlung von kleinen Häuschen inmitten der Bergwelt. Wir steuerten Richtung Zentrum, um uns ein wenig umzuschauen und hielten an einer Esso-Tankstelle an, wo wir für 150 Dollar (Literpreis: 140.9 Cent) auftankten. Anschließend verließen wir das kleine Pemberton wieder und fuhren weiter Richtung Whistler, das nur noch 34 km entfernt war. Wann kam denn jetzt endlich der nächste Campingplatz? Von Lillooet bis hierhin gab es nicht einen davon. Und auf einmal stand ein Hinweisschild am Straßenrand, das den Nairn Falls Campground in 2 km ankündigte. Wir fuhren nach links auf den Campingplatz, stellten unser Vehikel ab und beratschlagten, was wir gegen den Hunger tun könnten.

Da wir auf einem staatlichen Campingplatz standen, bei dem wir weder Strom noch Wasser hatten, mußten wir sparsam mit allem umgehen. Wir wollten uns Pizza Nuggets machen, bevor uns einfiel, daß die Mikrowelle ohne Strom nicht funktionierte. Also disponierten wir um und machten Nudeln mit Tomatensauce, die unseren Hunger astrein bekämpften. Nach gefahrenen 344,7 km ließen wir den Abend bei einem Buch ausklingen.

In der Rückschau wollten wir heute nur bis Lillooet und morgen dann vielleicht bis kurz vor Whistler, wo wir allerdings jetzt schon standen. Schön, einen Tag gespart! Könnte man zumindest meinen, aber wir hatten ja noch fast eine ganze Woche vor uns. Als wir beim Abendessen die Kilometer ausrechneten, kamen wir auf 347 km, die wir noch fahren durften, ohne zuzahlen zu müssen. Wenn wir noch nach Harrison Hot Springs wollten, würde das wohl nicht mehr funktionieren. Aber sollten wir jetzt ein paar Tage in der Wildnis stehenbleiben?

zum 25.09.2014

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